Ein Bericht vom
von Daniel Niebuhr
Das Schicksal hat manchmal ein seltsames Timing, wie man am Freitag wieder erleben musste. Sportchef Bastian Fuhrken war mit einigen Fans des SV Atlas Delmenhorst gerade im Stadion an der Düsternortstraße, um Werbebanner für das Regionalliga-Auftaktspiel gegen den FC Oberneuland am Samstag aufzuhängen, als das Handy klingelte. Etwas mehr als 24 Stunden vor dem heiß erwarteten Derby traf ihn eine überraschende Nachricht mit voller Härte: Corona-Fall in Oberneuland, das Spiel fällt aus. „Ich bin schon aufgebracht“, sagte Fuhrken. „Das ist extrem bitter.“
Der infizierte Fußballer hat offenbar keine schweren Symptome, dennoch müssen auf Anweisung des Bremer Gesundheitsamts zwölf Mitglieder des Kaders in Quarantäne. Der Norddeutsche Fußball-Verband berichtete dann noch von einem zweiten Fall. Auch Oberneulands folgende Partie gegen den Mitfavoriten VfB Oldenburg, der am Freitagabend Werder Bremens U23 im seinem Auftaktspiel deutlich mit 3:0 bezwang, wurde abgesagt. Atlas ist verstimmt darüber, dass vor einigen Tagen offenbar noch ein von Oberneulands Spielern privat organisierter Mannschaftsabend stattgefunden hat; ob dadurch die Zahl der quarantänepflichtigen Spieler erhöht wurde, lässt sich jedoch nicht klären. „Wenn man es so handhabt, dann werden wir die Saison im Leben nicht zu Ende gespielt bekommen“, ärgerte sich Fuhrken. Oberneuland verweist darauf, dass es sich dabei nicht um ein offizielles Treffen des Vereins gehandelt hat. „Fast alle hat es schon erwischt, Atlas sogar zweimal, dieses Mal hat es uns getroffen. Das sollte uns alle erinnern, dass Corona noch da ist“, sagte Pressesprecher Uwe Piehl. „Wir haben es uns nicht ausgesucht, wir sind genauso traurig, dass dieses schöne Derby noch nicht stattfinden kann, wie der SV Atlas.“
Der durch die Absage entstandene Schaden ist in Delmenhorst durchaus beträchtlich. Eine vierstellige Zuschauerzahl war realistisch; nach 600 im Vorverkauf abgesetzten Tickets, zu denen noch Sponsoren- und Dauerkarten kommen, stand bereits vor Öffnung der Tageskasse fest, dass es das bestbesuchte Regionalliga-Spiel in Delmenhorst seit mehr als 23 Jahren geworden wäre. 1400 Zuschauer waren dem Hygienekonzept zufolge zugelassen. „Die 1000 hätten wir geknackt“, glaubt Vorsitzender Manfred Engelbart. Fuhrken dachte auch an die Gastronomie, die sich auf das Event lange vorbereitet hat – und natürlich an die Fans. „Man hat die Vorfreude gespürt, der Vorverkauf hat das auch bestätigt“, sagte der Leistungsfußball-Leiter. „Für uns ist das eine Katastrophe, das muss man so sagen.“
Die verkauften Karten behalten ihre Gültigkeit, wie Atlas unverzüglich erklärte, allerdings kann sich die Kapazität während einer Pandemie schnell ändern. Ob beim Nachholspiel immer noch 1400 Zuschauer zugelassen sind oder vielleicht weniger – wie in der Vorsaison –, vermag niemand zu sagen. „Wir können nichts garantieren“, sagte Fuhrken, zumal das Datum für das Nachholspiel schwer zu finden sein wird. Bis Mitte Dezember gibt es kein Wochenende mehr, an dem Atlas spielfrei hat. An Wochentagen wiederum kann im Delmenhorster Stadion nicht mehr bis spät in den Abend gespielt werden, weil es kein Flutlicht gibt. „Es werden sicherlich weniger kommen können, wenn wir am Mittwoch um 16 Uhr spielen“, sagte Fuhrken. Oberneuland brachte bereits einen Heimrechttausch und eine Partie in der Woche ins Spiel, doch darüber wird erst in den kommenden Tagen gesprochen. Das Rückspiel in Oberneuland ist für den 16. Oktober geplant.
Atlas muss nun sechs Tage länger auf den Auftakt warten, der am kommenden Freitag ab 18.30 Uhr bei Hannover 96 II stattfinden soll – wenn nichts dazwischen kommt. Die Vorbereitung darauf macht der Ausfall nicht einfacher. „Ich mag den Spielern kaum in die Augen schauen“, sagte Fuhrken. „Wir haben die ganze Woche über Spannung aufgebaut. Alle wollten zeigen, dass wir besser sind als das, was wir letztes Jahr gezeigt haben. Das ist für die Jungs sehr hart.“
Ein schlagkräftiger Testspielgegner als Ersatz wird auf die Schnelle kaum aufzutreiben sein: 3. Liga und Oberliga sind komplett im Einsatz, der einzige spielfreie Regionalligist ist Weiche Flensburg. Engelbart fühlte auch mit dem Trainerteam um Chefcoach Key Riebau, der am Freitagmittag noch gesagt hatte, dass man gegen Oberneuland mehr Punkte holen wolle als in der ganzen Vorsaison – damals hatte es in sieben Partien zu zwei Zählern gereicht.