Ein Bericht vom
von Daniel Niebuhr / Foto: Screenshot Daniel Niebuhr
Irgendwann, das war eigentlich klar, würde Werder Bremen Thema sein – und doch war man beim SV Atlas ein wenig überrascht, als es passierte. Der Delmenhorster Fußball-Regionalligist hatte gestern zum Ausklang der (größtenteils) annullierten Saison 2020/21 unter dem Titel „Das letzte Heimspiel“ zur Online-Talkrunde geladen, in der sieben Gäste nacheinander die Fragen von dk-Sportchef Lars Pingel, Moderator Timo Conrad und der Fangemeinde beantworteten. Da kurz zuvor der abstiegsbedrohte Bundesligist aus der Nachbarstadt den in Delmenhorst aufgewachsenen Trainer Florian Kohfeldt entlassen hatte, bot sich ein Kommentar wohl an. Und so wurde Atlas-Coach Key Riebau gefragt, was an dem Gerücht dran sei, dass er und Sportchef Bastian Fuhrken als Trainer-Manager-Duo das Ruder bei Werder übernehmen? „Das kann ich verneinen“, antwortete Riebau und verwies neben Trainerlizenz-technischen Hürden darauf, „dass ich ja schon bei einem geilen Club bin“.
Vor allem, das wurde am Wochenende mal wieder klar, ist es ein Club, der immer für Überraschungen gut ist. Knapp vier Stunden vorher hatte Atlas bereits die Verpflichtung des 19-jährigen Talents Philipp Eggert vom JFV Nordwest bekannt gegeben, der als Linksverteidiger und Mittelfeldspieler geeignet ist. Riebau freute sich über die Mischung aus „jungen Wilden und erfahrenen Spielern“, die man jetzt bereits für die kommende Saison geholt hat. Fuhrken legte dann noch – als letzter, der zugeschaltet wurde – die Vertragsverlängerung von Marco Stefandl nach. Der Niederbayer ließ ausrichten, „sehr stolz zu sein, für diesen Verein zu spielen“, berichtete Conrad. Und Fuhrken klang stolz, ihn weiter im Kader zu haben.
Es war in der etwas mehr als 90-minütigen Veranstaltung allerdings nicht der einzige Aha-Moment. Nick Köster und Marek Janssen – die zusammen mit Keeper Rico Sygo die Fraktion der Spieler bildeten – hatten in dieser Hinsicht vorher schon zugeschlagen. Beide nahmen, als es um das Ziel für die kommende Saison geht, das Wort „Aufstiegsrunde“ in den Mund, was durchaus ambitioniert ist nach zwei Punkten aus sieben Partien in der abgebrochenen Spielzeit. „Es heißt ja auch nicht, dass wir aufstiegen wollen“, stellte Janssen umgehend klar. Nur wolle man, wenn die Regionalliga wieder in zwei Staffeln spielen sollte, eben mit dem Abstieg nichts zu tun haben. Das, sagte Köster, ließe sich am sichersten erreichen, wenn man gar nicht in die Abstiegsrunde muss.
Das Selbstvertrauen verblüffte ob der mauen Bilanz vor dem Lockdown einerseits, andererseits zeigt es, dass Atlas sich dauerhaft als Regionalligist sieht. „Wir wollen uns in dieser Liga verankern“, sagte Eröffnungsredner und Marketingvorstand Stefan Keller. Er soll vor allem abseits des Rasens dazu beitragen, dass die Bedingungen für Viertliga-Fußball in Delmenhorst geschaffen werden, was ihm durch die Treue der Sponsoren erleichtert wird. Dennoch erzwingt die Pandemie auch bei Atlas schwere Entscheidungen. Keller gab zum Beispiel bekannt, wie man mit den Fans umgehen will, die vor der Saison 2020/21 eine Dauerkarte erworben haben. Es soll die Möglichkeit geben, das Geld anteilig für die verpassten Heimspiele zurückzubekommen. Aber, stellte Keller klar, „wir wären glücklich, wenn mancher auf diesen Anteil verzichten würde“. 30 Prozent dieses Geldes sollen dann für einen guten Zweck in Delmenhorst gespendet werden.
Finanzvorstand Thomas von Rönn konnte da direkt anschließen und nannte eine Rückkehr der Fans in die Stadien die Basis dafür, „dass wir finanziell in ruhigen Fahrwassern bleiben“. Das Budget für den Kader bewege sich für Regionalliga-Verhältnisse „im unteren Bereich“, man wolle „nur das ausgeben, was wir auch haben“.
20 Spieler für die kommende Saison hat Atlas bisher sicher unter Vertrag, zu ihnen gehört Jan-Niklas Wiese jedoch nicht. Der physisch starke Verteidiger verlagert seinen Lebensmittelpunkt studienbedingt nach Osnabrück; dass er geht, wurde schon am Samstag bekannt gegeben. Wie bei allen, die Atlas verlassen, bedauerte Fuhrken aufrichtig, dass man wegen der Pandemie keinen angemessenen Abschied organisieren konnte, „wie es sich gehört: Bei einem Heimspiel vor voller Tribüne.“
Zuletzt war mit Musa Karli – nach Marco Prießner und Marvin Osei – bereits der dritte gebürtige Delmenhorster innerhalb eines Jahres gegangen. Fuhrken betonte allerdings, dass er bei der Kaderplanung durchaus „alle Spieler aus der Region auf dem Zettel“ habe, egal, wo sie gerade spielen: „Mein Traum ist natürlich, dass wir 24 Delmenhorster im Kader haben, die alle in der Regionalliga mitkicken können – das ist nur kaum zu realisieren.“
Der wichtigste Neuzugang für die kommende Saison werden wohl die Fans sein – zumindest gehen alle Beteiligten davon aus, dass noch in diesem Jahr wieder Zuschauer zugelassen werden. Noch steht aber nicht einmal fest, wann die neue Saison startet. „Wir warten ab, was der Verband sagt, und planen dann“, erzählte Riebau. Fuhrken hofft, dass die Laufbahn-Sanierung abgeschlossen ist, wenn Testspiele mit Fans im Sommer möglich sein sollten. Ob es dann ein Benefizspiel gibt, um Werder finanziell zu helfen, wurde er dann noch scherzhaft gefragt. „Wir können niemanden retten außer uns selbst“, sagte Fuhrken. „Aber wenn sie ein bisschen kicken wollen, können sie gern rüberkommen.“