Ein Bericht vom
von Daniel Niebuhr und Frederik Grabbe
Als der Delmenhorster Fußball zum letzten Mal viertklassig war, war das zum Schluss eigentlich nichts mehr, woran man sich als Fan gern erinnern würde. Sportlich gerettet, musste der SV Atlas seine Mannschaft zum Saisonende 1998/99 aus finanziellen Gründen aus der damaligen Oberliga Nord zurückziehen. Am Ende des Jahres verlor der Verein auch noch seinen Namen und hieß fortan Delmenhorster SC, drei Jahre später gab es auch den nicht mehr. Dass der SV Südharz Walkenried, der vor 21 Jahren durch den Atlas-Rückzug drinblieb, 2017 ebenfalls in die Insolvenz gegangen ist, tröstet im Nachhinein auch keinen mehr.
Das böse Ende von einst soll nun mit einem umso schöneren Neuanfang vergessen gemacht werden. Ab September kann im Stadion an der Düsternortstraße wieder Regionalliga-Fußball gespielt werden: Sportlich offiziell wird das durch den dann wohl endgültigen Saisonabbruch am 27. Juni, baulich kann der Zweite der Oberliga Niedersachsen nun auch die Voraussetzungen schaffen. Nach dem fast einstimmigen Votum des Rates am Donnerstagabend wird die Stadt 250.000 Euro investieren, mit denen Atlas die nötigsten Auflagen des Norddeutschen Fußball-Verbandes erfüllen soll. Ein Gästekäfig und eine Spielfeldbegrenzung sollen dafür errichtet werden, die in den Besitz der Stadt übergehen; weil Atlas die Arbeiten durchführen lässt, umgeht man eine europaweite Ausschreibung, was angesichts der NFV-Deadline des 22. August entscheidend ist und nebenbei Geld spart.
Die durchaus angeregte Debatte im Rat spiegelte sich im Ergebnis nicht wider, mit nur einer Gegenstimme wurde die Vorlage der Stadt angenommen, was Atlas-Vorsitzender Manfred Engelbart "sensationell" fand. Die Arbeiten sollen nun so schnell wie möglich beginnen, wobei die Absicherung des Platzes Probleme mit sich bringt. Ein Zaun, der 2,25 Meter hoch sein müsste, würde die Sicht versperren. Mobile Gestelle mit Netzen, die auf der Laufbahn aufgebaut werden, hätten weniger Fläche für Werbung, was für Atlas schmerzhaft wäre. Die Regionalliga wird für den Club finanziell ohnehin eine beispiellose Herausforderung. "Natürlich wollen wir nicht, dass die Zuschauer ständig den Zaun vor Augen haben. Das wollen wir zumindest auf den Geraden unbedingt verhindern", sagt Engelbart. "Wir haben die Möglichkeiten schon geprüft und müssen jetzt entscheiden, was am besten passt."
Dass das Geld für die Arbeiten derart schnell freigegeben wurde, ist durchaus bemerkenswert, aber auch dadurch nötig geworden, dass das Stadion über die Jahre vernachlässigt wurde. Die Lautsprecheranlage, die nicht von den 250.000 Euro bezahlt wird, hätte allein schon aus Sicherheitsgründen längst erneuert werden müssen. Atlas legt auch Wert auf die Feststellung, dass man kein Geschenk von Verwaltung und Politik erhalten habe: Was auch immer im Stadion entsteht, gehört der Stadt. Der Verein wird selbst mindestens 500 Arbeitsstunden investieren. Oberbürgermeister Axel Jahnz hatte die Sache persönlich ins Laufen gebracht und ist nun "heilfroh, in so kurzer Zeit nach Pfingsten ein so gutes Produkt auf den Weg bringen zu können".
Auch Jahnz hatte aber wahrgenommen, dass Atlas durchaus Argwohn entgegenschlug. Die fraktionslose Antje Beilemann beantragte im Rat, auch den Stadtsportbund in die Nutzungsbedigungen miteinzubeziehen, was aber deutlich abgelehnt wurde. In die endgültige Formulierung wurde – auf Drängen der Fraktion SPD und Partner – aufgenommen, dass "das Stadion auch anderen Sportvereinen zur Nutzung für Spiel- oder Trainingszwecke zur Verfügung steht" – was bisher allerdings auch niemand je infrage gestellt hatte. Nachdem die CDU daraufhin vergleichsweise empört Partei für Atlas ergriffen hatte, sagte Jahnz: "Wir sollten uns nicht in Neiddebatten verheddern. Freuen wir uns. Es lebe der Sport." FDP-Fraktionsvorsitzender Murat Kalmis stieß stellvertretend für viele ins gleiche Horn: "Es ist doch toll, dass wir fraktionsübergreifend so eine Einigung erreicht haben." Er glaubte sogar, dass die Investitionen sich rentieren werden: "Atlas ist ein Werbeträger für unsere Stadt. Hochklassiger Fußball ist auch ein Wirtschaftsfaktor, der Menschen nach Delmenhorst bringt. Das sollte man nicht unterschätzen."
Trotz des letztlich positiven Ergebnisses reagiert man bei Atlas aber sensibel auf das Misstrauen einiger Ratspolitiker. "Wir wollen ja gar nicht von allen gefeiert werden. Aber dass man das Gefühl hat, sich für den Erfolg entschuldigen zu müssen, darf nicht sein", sagt Engelbart. Dabei schwang auch der lange aufgestaute Frust über die Bedingungen mit, unter denen der Verein arbeitet: Auf dem regulären Trainingsplatz im Stadion konnte der Club in diesem Jahr zum ersten Mal in der vergangenen Woche trainieren, im Winter führte der Oberliga-Zweite mit Einheiten auf einer Handvoll anderer Anlagen "ein Nomadenleben", wie Trainer Key Riebau es mal beschrieb.
Der Kampf um mehr Zeiten im Stadion ist jedoch zäh; dass die Mannschaft demnächst viertklassig und damit drei Ligen über dem nächsten Club aus der Stadt spielt, reichte als Argument bisher ebenso wenig wie die Tatsache, dass Atlas im Schnitt in der vergangenen Saison mehr als 1100 Zuschauer pro Heimspiel anzog und damit die zweitmeisten aller Amateurclubs in Niedersachsen. "Wir sind dafür, dass alle Vereine zu ihrem Recht kommen, aber es muss auch die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Ich weiß nicht, ob man einen Ober- oder bald Regionalligisten mit so viel Zuschauerpotenzial zwangsläufig mit jedem Breitensportler vergleichen sollte", findet Engelbart. "Wir wollen keine Privilegien. Wir wollen aber, dass anerkannt wird, was wir auch für die Stadt leisten."
Auch bei Atlas überwiegt aber nach dem Ratsbeschluss die Freude, "dass Regionalliga im Delmenhorster Stadion möglich sein wird", sagt der Clubchef. Die ersten Spiele sollen Anfang September mit Publikum stattfinden; Geisterspiele, hatte Leistungsfußball-Leiter Bastian Fuhrken schon klargestellt, sind für Atlas und die meisten Regionalligisten keine Option. Für den Verband, der sich aus Anteilen an den Ticketerlösen finanziert, vermutlich auch nicht.