Saison vor Abbruch

Saison vor Abbruch

23.05.2020

Warum der SV Atlas Delmenhorst für die Regionalliga planen darf – und muss

Ein Bericht vom

von Daniel Niebuhr

Der historische Aufstieg des SV Atlas Delmenhorst in die Fußball-Regionalliga scheint nur noch Formsache zu sein. Der bevorstehende Abbruch der Saison hätte aber auch gravierende Folgen für viele andere Clubs.

Den meisten beim SV Atlas wird der folgende Vergleich gar nicht recht sein, man darf ihn sich an dieser Stelle aber trotzdem mal gönnen. In den 90er Jahren hat die TSG Hoffenheim, hauptsächlich dank ihres Investors, mal Spektakuläres vollbracht: Die Kraichgauer, inzwischen bekanntlich Bundesligist, schafften es innerhalb von zehn Jahren von der Kreis- in die Regionalliga, fünf Aufstiege waren dafür nötig. Wenn es im Norddeutschen Fußball in den kommenden Wochen nicht noch mit dem Teufel zugeht, wird Atlas bald das gleiche Kunststück vollbracht haben – aber in nur acht Jahren.

Nach einer historischen Pressemitteilung des Niedersächsischen Fußball-Verbandes stehen der Aufstieg und die Delmenhorster Rückkehr in die Viertklassigkeit nach 21 Jahren kurz bevor. Der NFV-Vorstand hat lange um eine Fortsetzung der wegen der Corona-Krise unterbrochenen Saison 2019/20 gekämpft, will sie auf Druck der Vereine nun aber doch abbrechen und ohne Abstieg nach Punkten pro Spiel werten. Alle Mannschaften auf Aufstiegs- und Relegationsplätzen bekommen das Startrecht für die nächsthöhere Liga; weil Atlas in der Oberliga auf Relegationsrang zwei steht und die Viertligisten schon vorher die Aufstockung der Liga befürwortet haben, ist die Tür zur Regionalliga offen. „Da muss ich mich schon kneifen. Das ist krass“, sagt Clubchef Manfred Engelbart. Atlas hatte schon im März die Lizenz für die Regionalliga beantragt – Engelbart nannte die Kosten von 3000 Euro „gut angelegtes Geld“.

Erster außerordentlicher Verbandstag seit 41 Jahren

Leistungsfußball-Leiter Bastian Fuhrken verweist zurecht darauf, dass der Vorschlag des Verbandsvorstandes noch nicht offiziell beschlossen ist. Die große Party dürfte am 27. Juni steigen: Dann findet der erste außerordentliche Verbandstag des NFV seit 41 Jahren statt – und der erste virtuelle überhaupt –, auf dem die Vereine den Abbruch mit Wertung beschließen sollen. Dieser Antrag wird wohl der einzige sein, der zur Wahl steht. Fortsetzung, Annulierung oder Wertung der Saison mit Absteigern sind vom Tisch. Bis drei Wochen vorher können noch Vereine eigene Anträge stellen, womit aber kaum zu rechnen ist – schließlich haben die Clubs auf genau diese Lösung gedrängt. Auch NFV-Präsident und Abbruchgegner Günter Distelrath lenkte schließlich ein.

Vorher müssen schon die Regionalligisten auf ihrem Verbandstag dem Saisonende und der Aufstockung der Klasse durch fünf Aufsteiger – neben Atlas sind das der VfV Hildesheim, Phönix Lübeck, der FC Oberneuland und Teutonia 05 Ottensen – zustimmen. Das gilt, vorsichtig ausgedrückt, als sehr wahrscheinlich. „Es gibt viele Vereine, die sich auf Atlas in der Regionalliga freuen“, sagt Engelbart.

Liga der Derbys wartet

Auch wenn der Aufstieg noch nicht amtlich ist, die Planung bei Atlas geht nun klar Richtung Regionalliga. Bereits am Montag trifft sich die Vereinsspitze mit der Stadt, um auszuloten, welche Renovierungsarbeiten nötig sind, um das Stadion an der Düsternortstraße Regionalliga-tauglich zu bekommen. Trainer Key Riebau, der das Team im Sommer übernommen und zu einer herausragenden Saison mit nur zwei Niederlagen in 23 Spielen geführt hat, findet nicht als Einziger, „dass Atlas ein Werbeträger ist, von dem die Stadt profitiert. Diese Aufstiege kamen aber auch schneller als wir alle erwartet haben.“

In der Viertklassigkeit erwarten Atlas Derbys mit dem VfB Oldenburg, dem SSV Jeddeloh und dem BSV Rehden und Duelle mit den Nachwuchsteams von Werder Bremen, dem Hamburger SV und dem FC St. Pauli. „Das wäre Wahnsinn“, sagt Engelbart. Die Regionalliga wird voraussichtlich aus 22 Mannschaften bestehen; eine herkömmliche Doppelrunde ist kaum möglich, die wahrscheinlichste Lösung ist eine Einfachrunde mit anschließenden Playoffs. Dass auf Atlas im Aufstiegsfall nicht nur sportlich, sondern auch finanziell eine nie dagewesene Herausforderung zukommt, ist allen klar. „Wir haben immer gesagt, dass wir es durchziehen, auch wenn es teuer wird“, sagt Engelbart.

TuS Hasbergen und Delmenhorster TB vor Klassenerhalt

Der NFV-Antrag hat allerdings für alle Fußballer gravierende Folgen. Wird er, wie alle erwarten, angenommen, dürfen weitere Vereine jubeln. Die ungeschlagene Atlas-Reserve wäre Kreisliga-Meister, womit es in der Bezirksliga zum ersten Mal vier Delmenhorster Teams gäbe. Mannschaften auf Abstiegsplätzen bleiben drin: In der Kreisliga wären das der TuS Hasbergen und der TV Falkenburg, in der 1. Kreisklasse der TV Jahn II und der Delmenhorster TB, der damit einem historischen Absturz entgeht. Durch den Verzicht auf Absteiger werden viele Ligen wachsen, worauf Distelrath noch einmal hinwies. „Wir müssen darauf achten, dass kein Verein überfordert wird. Deshalb wird es hinsichtlich der Planung der Saison keine Denkverbote geben“, erklärte der Verbandschef. Der NFV zieht eine Verlängerung der kommenden Saison bis zum Beginn der Sommerferien am 22. Juli 2021 in Erwägung.

Doch auch für die aktuelle Spielzeit sind längst nicht alle Probleme gelöst: Pokalsieger können nicht nach der Quotientenregel gekürt werden. Weil es dabei auch um Geld geht, behält sich der Verband Sonderregelungen vor. Der SV Tur Abdin ist noch im Bezirkspokal-Viertelfinale vertreten.

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