Marco Büsing legte seine Tasche auf die Bank in der Trainerkabine des Stadions an der Düsternortstraße. "Zum letzten Mal, stimmt", sagte er am Donnerstag. Knapp eine Stunde vor dem Trainingsbeginn der Fußballer des SV Atlas Delmenhorst. Auf dem Hauptplatz bereitete Büsing gemeinsam mit Daniel von Seggern später das Oberliga-Team auf das Finale im Landespokal der Amateure gegen den Klassenrivalen TuS Bersenbrück vor, das an diesem Samstag um 14.15 Uhr im Eilenriedestadion in Hannover angepfiffen wird. Es ist das letzte Spiel des 45-Jährigen in sportlicher Verantwortung. Das Training im Stadion war das letzte, das er in Delmenhorst leitete, das Abschlusstraining am Freitag in Hannover das letzte überhaupt. Ganz schön viele letzte Male. "Es ist, denke ich, ganz normal, dass man ein bisschen angespannt ist", sagte Büsing über seine Gefühlslage.
Foto: Lars Pingel
Nach sechs Jahren wird Büsing den SV Atlas verlassen. Er übernimmt zur kommenden Spielzeit 2019/20 den Cheftrainer-Posten bei der Bezirksliga-Mannschaft von BW Bümmerstede. Zur Saison 2013/14 war er mit Jürgen Hahn nach Delmenhorst gekommen, Büsing als Co-Trainer. Das Duo führte die Mannschaft aus der Kreisliga bis zum Oberliga-Aufstieg in der Saison 2016/17. In der fünfthöchsten Spielklasse gelang nun, nach 30 Punktspielen 2018/19, zum zweiten Mal der Klassenerhalt. Die Gelegenheit, wehmütig zu werden, gab es für Büsing bisher allerdings nicht. "Ich habe einen Beruf, der mich fordert", erzählte er. "Und ich habe eine Familie, die dafür sorgt, dass ich mal abschalten kann." Apropos:
"Das ist das ganz Große: Dass meine Familie das alles mitgetragen, mich immer unterstützt hat. Und das auch weiter machen wird."
Foto: Rolf Tobis
Es war aber auch der Fußball, der dafür verantwortlich ist, dass Büsing noch nicht abschließend über die Zeit beim SV Atlas und die vielen letzten Male, die er zuletzt erlebt hat, nachgedacht hat. "Der Fokus liegt jetzt auf dem Finale", erklärte er. "Es gilt, bei aller Euphorie, so viel Normalität reinzubringen, dass sich die Mannschaft auf das Wesentliche konzentrieren kann. Das ist das Spiel." Das bedeute natürlich nicht, dass die Begeisterung dafür nicht zugelassen wird. "Es geht darum, eine gesunde Mischung zu finden, zwischen Euphorie, Anspannung und einer gewissen Lockerheit", sagte Büsing und erklärte, was für ihn daraus folgte: "Da muss man alles andere ein bisschen hinten anstellen." Eben auch die sechs Jahre SV Atlas. "Das kommt vielleicht alles noch", überlegte Büsing: "Am Sonntag oder auch erst am Montag."
Von Seggern und er hätten mit der Mannschaft genauso gearbeitet wie zuvor. "Wir haben immer nur das nächste Spiel im Blick." Das sei, merkt Büsing an, der Ansatz aller Trainer, mit denen er beim SVA zusammenarbeitete. Das waren natürlich Hahn (bis November 2018), dann Olaf Blancke (Dezember 2018 bis Mai 2019) und von Seggern. "Es geht um Mannschaftssport, um den Erfolg, den man als Team erreichen kann. Das ist meine Denke – und nichts anderes", erklärte Büsing.
Foto: Rolf Tobis
Das Finale gegen Bersenbrück geht Büsing durchaus zuversichtlich an. "Wir müssen nicht rumdrucksen: Es entscheidet definitiv die Tagesform. Es ist alles drin. Meiner Meinung nach ist das eine 50:50-Geschichte." Und, auch wenn das eine sehr oft verwendete Fußball-Weisheit ist, sagte Büsing, ist sie halt wahr:
"Der Pokal hat seine eigenen Gesetze. Es ist völlig egal, auf welchem Platz du die Saison beendet hast."
Genauso sicher ist sich Büsing, dass die Partie am Samstag "ein riesen Highlight wird." Es ist, findet er, "sensationell, dass sich so viele Menschen auf den Weg machen, um dieses Fußballspiel mit uns zu erleben." Der Zuschauerzuspruch für die Mannschaft beeindruckt ihn immer noch. "Das ist für die Liga, in der wir sind, unbegreiflich", sagte Büsing, der während seiner aktiven Laufbahn als Torwart erfolgreich war. Er begann bei einem Oldenburger Kultverein, dem SSV Viktoria im Stadtteil Osternburg, der inzwischen in GVO Oldenburg aufgegangen ist. Für den TuS Bloherfelde und den VfL Oldenburg spielte er dann in höchsten Jugend-Ligen. Im Männer-Bereich ging es über die Stationen Viktoria, Tura Oldenburg, FC Ohmstede und Post Oldenburg zum VfL Oldenburg, mit dem er erstmals einen Oberliga-Aufstieg gefeiert hat. Er lief danach noch für GVO auf. Er hatte dort eigentlich schon aufgehört, stieg als Torwarttrainer im Jugendleistungszentrum des VfB Oldenburg ein. Dort gab es in der "Zweiten" (U23) plötzlich auf dieser Position ein Problem, Büsing sprang ein – und stieg mit der Mannschaft in die Landesliga auf. Dann war aber wirklich Schluss mit dem Toreverhindern.
Beim VfB lernte Büsing dann auch Jürgen Hahn kennen, Büsing war Trainer des U23-Teams. 2012/13 kam Hahn dazu, Büsing wurde "Co": "Ich habe diesen Schritt zurück gemacht, weil ich nochmal lernen wollte. Auch das Trainersein muss und kann man lernen." Die beiden entwickelten sich schnell zu einem eingeschworenen Trainerteam.
Und dann nahm sich Büsing doch etwas Zeit, ein wenig zurückzublicken: "Ich möchte mal danke sagen an Jürgen für die tollen Jahre." Hahn habe, erklärte Büsing, "das Fundament mit geschaffen, dass wir auch das Pokalfinale erreicht haben." Die Zeit beim SV Atlas sei überwiegend sehr positiv, mit vielen schönen Erlebnissen gewesen, erzählte Büsing: "Das finde ich am wichtigsten." Die Spieler, die Betreuer, das Team hinter dem Team, die Verantwortlichen und die Zuschauer – alle hätten dafür gesorgt, dass ihm der Verein ans Herz gewachsen ist. Trotzdem, so ganz realisiert, dass er ihn verlässt, habe er eben noch nicht. Ein Beispiel ist der zurückliegende Samstag. "Es hat sich nicht wie ein letztes Heimspiel angefühlt", sagte Büsing über das 0:1 gegen den Heeslinger SC, mit dem die Oberliga-Saison beendet worden war. Dass ihn der Fanklub "Block H" anschließend zu seinem ersten Ehrenmitglied ernannte, "fand ich sensationell". Das war "schon ein schöner Abschluss", aber da ist ja noch etwas. Diese eine Partie im Eilenriedestadion am heutigen Samstag. „Klar, wenn ich es mir hätte aussuchen dürfen, ist ein Abschied mit einem Landespokalfinale das, was ich genommen hätte“, erzählte Büsing, Doch genau dieses Spiel ist halt der Hauptgrund dafür, dass die ganz große Abschiedsstimmung noch nicht aufgekommen ist. Büsing bestätigte noch einmal:
"Ich hatte einfach keine Zeit, mir darüber Gedanken zu machen."