Ein Artikel aus dem Delmenhorster Kreisblatt vom 27.05.23 - von Lars Pingel
Die Partie bei Hannover 96 II ist für den SV Atlas Delmenhorst die vorerst letzte in der vierten Liga. Vorstandsmitglied Stefan Keller erklärt, warum im Verein die Freude auf die kommende Saison 2023/24 die Enttäuschung über den Abstieg langsam, aber sicher verdrängt.
Am Samstag, 27. Mai, ist es amtlich. Wenn so gegen 15.50 Uhr im Eilenriedestadion der Schlusspfiff ertönt, ist die für den SV Atlas Delmenhorst bittere Rückrunde der Regionalliga-Saison 2022/23 beendet – und der Verein wieder Oberligist. Dies stand schon vor dem Spiel beim sicheren Tabellendritten Hannover 96 II fest, das um 14 Uhr beginnt. 13 Tage zuvor hatten Konkurrenten im Rennen gegen den Abstieg den Delmenhorstern, die keine 48 Stunden zuvor nicht über ein 0:0 beim Mitabsteiger Kickers Emden hinausgekommen waren, die letzte Chance genommen. „Das ist jetzt halt der Abschluss nach zweieinhalb Jahren“, sagt Stefan Keller, im SVA-Vorstand für Marketing und Vertrieb und interimsweise für Medien und Kommunikation zuständig. Die Enttäuschung, „die wir ja deutlich kommuniziert haben“, sei selbstverständlich noch da, doch so langsam mache sich Aufbruchstimmung breit, denn: „Wir sind schon sehr in der Oberliga-Vorbereitung verfangen.“
Die kommende Saison 2023/24 werde eine große sportliche Herausforderung, sagt Keller: „Die Niedersachsen-Staffel wird die stärkste Oberliga in Deutschland.“ Die vier bisher feststehenden Absteiger aus der Regionalliga Nord werden dort antreten: Außer Atlas und Emden sind dies der BSV Rehden und der VfV Hildesheim. Im SSV Jeddeloh könnte ein weites Team dazukommen – und selbst BW Lohne, Elfter der Viertliga-Tabelle, ist vor dem letzten Spieltag 2022/23 nicht sorgenfrei. Hinzu käme, erklärt Keller: „Es muss uns klar sein, dass jede Mannschaft, auf die der SV Atlas in der Oberliga treffen wird, diesen unbedingt besiegen will. Jeder Spieler wird einen Schritt mehr machen als sonst. Und es werden mehr Zuschauer kommen.“ Das dürfe Atlas aber nicht blockieren, „sondern muss uns in den Modus versetzen, uns noch mehr zu konzentrieren“. Die künftige Oberliga habe aber durchaus auch für die Delmenhorster „eine hohe Attraktivität“, sagt Keller und verweist auf Vereine wie Arminia Hannover und den VfL Oldenburg, deren Teams dort bereits vertreten sind: „Wir haben wieder richtig Lust auf die kommende Saison.“
Der Kampf um den Ligaverbleib war verloren: Ousman Touray, Offensivspieler des SV Atlas, nach dem 0:0 bei Kickers Emden. FOTO: DANIEL NIEBUHR
Einen Favoriten auf die Oberliga-Meisterschaft 2023/24 gibt es für Keller bereits. „Wenn man sieht, was Emden für einen Kader aufbaut, dann ist klar, was dort angestrebt wird: der direkte Wiederaufstieg“, sagt er. In Tobias Steffen und Julian Stöhr sind zwei Spieler des SV Atlas unter den Kickers-Neuzugängen. Doch auch Teams, die bereits 2022/23 in der fünfthöchsten Klasse antraten, haben viel vor, erzählt Keller und nennt den FSV Schöningen, der laut Medienberichten den Stürmer Christian Beck vom BFC Dynamo verpflichtet hat. Der 35-Jährige hat beim 1. FC Magdeburg Zweitligaerfahrung gesammelt. Und der SV Atlas? Der hatte bereits parallel zu den Bekanntgaben der Vertragsverlängerung von Philipp Eggert und der Verpflichtung von Eugen Uschpol vom Landesligisten TuS Sulingen mitgeteilt, dass er davon ausgeht, eher in zwei, drei Jahren wieder Viertligist zu sein. „Es gibt genug warnende Beispiele dafür, wie schwer das erste Jahr nach einem Abstieg sein kann“, sagt Keller. Eines ist der Lüneburger SK, der 2021/22 die Regionalliga verlassen musste und nun in die Landesliga abgestürzt ist.
Trotzdem werde der SV Atlas „zeitnah“ auch noch einmal zurückblicken. Es gelte, die Frage zu klären, wie es passieren konnte, „dass uns in der Winterpause der Stecker gezogen wurde“, erklärt Keller. In diese war Atlas mit 26 Punkten als Tabellenelfter gegangen – und hoffte eigentlich, dass der zweite Teil der Saison weitgehend sorgenfrei verlaufen werde. Es kam ganz anders. Es folgte eine acht Spiele lange Niederlagenserie, während der Trainer Key Riebau freigestellt wurde und ein Interimstrainerteam um den künftigen Chefcoach Dominik Schmidt übernahm. Der Abstieg war trotz des einen oder anderen Erfolgserlebnis nicht abzuwenden. Ein Ergebnis der Analyse werde aus seiner Sicht sein, sagt Keller, dass für die kommende Spielzeit „ein Kader aufgebaut werden muss, der an verschiedenen Aufgaben ausgerichtet ist. Zum Beispiel auf die, darauf zu reagieren, wenn es nicht ideal läuft.“
An diesen Anforderungen werden weitere Zugänge, aber auch die Spieler, die noch im Kader stehen, gemessen, sagt Keller. Außerdem würden Bastian Fuhrken, Leiter Leistungsfußball, und Schmidt natürlich darauf achten, dass das Aufgebot an die sportlichen Vorstellungen, die der Cheftrainer umsetzen möchte, angepasst wird. „Wir stehen aber in einem Wettbewerb“, sagt Keller: „Wir werden nicht jeden verpflichten können, den wir uns vorstellen.“ Denn: „Wir geben nichts aus, was nicht da ist. Das wäre unverantwortlich.“
Hatten im Landespokal (hier im Viertelfinale gegen BW Lohne) häufig Grund zum Jubeln: die Fußballer des SV Atlas Delmenhorst. FOTO: ROLF TOBIS
Das bedeutet gleichzeitig, dass Atlas (bisher) ohne Einnahmen aus einem möglichen Erstrundenspiel im DFB-Pokal 2023/24 plant. Das erreicht der SVA, wenn er (voraussichtlich) am 3. Juni (14.15 Uhr) im Landespokalfinale gegen den VfL Osnabrück erfolgreich ist. Möglicherweise bedarf es nicht einmal das: Gewinnt der Drittligist am Samstag sein Heimspiel (ab 13.30 Uhr) gegen die U23 von Borussia Dortmund oder der 1. FC Saarbrücken, der SV Wehen Wiesbaden und Dynamo Dresden stolpern wieder, wären der VfL wegen seiner Drittliga-Platzierung und damit auch Atlas für den DFB-Pokal qualifiziert. „Das hätte natürlich eine gewisse Attraktivität für Spieler und Sponsoren“, sagt Keller. Auch, weil immer noch alle wüssten, was dort passieren kann, erklärt er mit Blick auf die als „Jahrhundertspiel“ berühmt gewordene Partie vor 41.000 Zuschauern im Weserstadion gegen den Bundesligisten SV Werder Bremen (1:6).