Ein Bericht vom Delmenhorster Kreisblatt (dk-online)
von Daniel Niebuhr
Titelbild: Rolf Tobis
Im neuen SV Atlas Delmenhorst IV kicken 17 ehemalige Spieler der ersten Mannschaft. Darunter Clubikonen, umgeschulte Torjäger und Kultfiguren.
Vor kurzem herrschte am Nebenplatz des Delmenhorster Stadions ein beachtlicher Menschenauflauf – beachtlich jedenfalls für das, was da auf dem Rasen passierte. Dass sich mal rund 100 Zuschauer zu einem Fußballspiel der 3. Kreisklasse verirren, passiert üblicherweise nur in Zusammenhang mit Freibier oder Junggesellenabschieden, in diesem Fall war das Publikum aber wohl vor allem aus fußball-romantischen Gründen zugegen. Es war das erste Heimspiel für die vierte Mannschaft des SV Atlas, deren Sprecher und Erfinder Tammo Renken seinen Augen selbst nicht traute. Dass so viele Menschen gekommen seien, um „ein paar alten Männern“ beim Kicken zuzusehen, „hat uns ziemlich gewundert“.
Doch diese alten Männer sind zumindest im Delmenhorster Fußball etwas prominenter als ein übliches Kreisklassenteam. Beim SV Atlas IV stehen sage und schreibe 17 Spieler im Kader, die schon einmal für die erste Mannschaft aufgelaufen sind, darunter Clublegenden wie Ex-Kapitän Daniel von Seggern, Kultfigur Fabian Borrmann, Gründervater Renken selbst oder das Verteidigerduo Hanno Hartmann und Florian Knipping, das ein befreundeter Trainer vor Jahren einst als „so sicher wie die Bank von England“ gewürdigt hat.
Alle 17 sind mit dem Club mindestens einmal aufgestiegen, der einstige Regionalliga-Torwart und heutige Stürmer Florian Urbainski sogar dreimal. Und Simon Puklicz mit allen drei anderen Atlas-Mannschaften. Dass sich die Vierte bald in seine Sammlung einreiht, ist nicht ausgeschlossen – sie ist jedenfalls gerade Tabellenführer.
Renken meint es nur halb im Scherz, wenn er verkündet, dass „wir prominenter sind als die Erste“. Tatsächlich kommt die neue Vierte laut der von Atlas geführten Liste der ewigen Einsätze auf 524 Ligaspiele für die erste Mannschaft, das sind 16 mehr als der komplette Kader des aktuellen Regionalligateams vorweisen kann. Von Seggerns fünf Auftritte als Trainer, in die mit dem Niedersachsenpokal 2019 der größte Titel für den Delmenhorster Herrenfußball seit 1968 fiel, sind da nicht mitgerechnet.
Das blau-gelbe Nostalgie-Team hat sich im Sommer formiert, als Renken und Philipp Pollmann – der ewige Torwart der zweiten Mannschaft – die Altstars nach jahrelangen Ankündigungen nun wirklich mal zusammentrommelte. Die Spieler seien gekommen, „als hätten sie nur darauf gewartet“, erklärt Renken. Darunter sind manche, die schon für untere Teams des Clubs gespielt haben, aber auch zwei ohne Atlas-Vergangenheit: Sebastian Schroth kommt eigentlich vom TuS Heidkrug, Stefan Brüning vom VfL Stenum.
Alle Spieler sind (teilweise nicht erst seit gestern) jenseits der 30 und die meisten – wie Renken – Familienväter. Regelmäßiges Training findet deshalb nicht statt, was auf dem Platz auch schwer zu übersehen ist. Wer in der Schlussphase ausgewechselt werden will, muss erst einmal jemanden zur Einwechslung überreden. Was nicht immer gelingt „Wir haben nicht die beste Kondition“, bekennt Renken. „Nach der Halbzeit stehen wir eigentlich nur noch hinten drin.“ Eigentlich hatte man auch eine Klasse tiefer spielen wollen, aber „der Spielausschuss hat uns überredet“.
Das wohl namhafteste Team der 3. Kreisklasse musste bis jetzt nichts bereuen, alle vier Spiele wurden gewonnen, die letzten beiden seit dem 3:1 über den TuS Heidkrug III im erwähnten ersten Heimspiel ohne Gegentor. Vorne treiben mit Urbainski und Pollmann zwei gelernte Keeper ihr Unwesen, beide haben zur allgemeinen Überraschung schon dreimal getroffen. „Ich bin überrascht, dass es so gut läuft“, sagt Renken. Was passiert, wenn es nicht aufhört, gut zu laufen, ist noch ungeklärt: „Was wir machen, wenn wir auf einem Aufstiegsplatz landen? Keine Ahnung.“
Das dürfte davon abhängen, welche Neuzugänge man als nächstes begrüßen darf. Die vierte Mannschaft soll künftig das dauerhafte Auffangbecken für ehemalige Atlas-Größen werden – Renken hat bereits ein Auge auf einige potenzielle Neuzugänge geworfen. Club-Rekordtorjäger Dominik Entelmann, 39 Jahre alt und aktuell zweitbester Schütze der zweiten Mannschaft in der Bezirksliga, hat er bereits die in Whatsapp-Gruppe des Teams aufgenommen: „Schon mal präventiv.“